Der Beitrag zum Volkssport Gender-Bashing liegt Wochen zurück. Doch die Kette antifeministischer bis offen rassistischer Reaktionen reißt nicht ab – im Gegenteil: Anhaltende Verunglimpfungen bestätigen den im Beitrag erhobenen Befund ein ums andere Mal. Aber ist dieser Vorgang damit auch schon Symptom eines generellen diskursiven Klimawandels? Oder nur eine Variante üblicher Empörungswellen?
– In jedem Fall Grund genug, das Material einmal zu sichten, aus ihm das Best of auszuwählen, um schließlich eine kleine Typologie des öffentlichen Hetzens zu erstellen:
1.
Lächerlichmachen der Person (und einzelne ihrer Beiträge) durch eine entlarvend gemeinte und männerbündlerisch gestaltete, im Ergebnis jedoch durchaus komisch wirkende und damit insgesamt unterhaltsame Wiki-Ästhetik.
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2.
Anlegen eines quantitativ beeindruckenden, inhaltlich kruden Fragenkatalogs in Form eines öffentlichen (und auch privat zugestellten) Briefes mit dem dialektischen Effekt, dass die Diagnosen des Beitrags erneut vollumfängliche Bestätigungen erfahren.
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3.
Aus derselben Quelle: Virtuose fernpsychologische Tiefendeutung unter der Annahme, der als emotional anregend wahrgenommene Beitrag sei aus Gründen komplizierter Karriereverläufe veröffentlicht worden - versehen mit der subtilen Designlösung, das Publikationsverzeichnis des Autors als Beleg seiner notorischen Erfolglosigkeit einzubauen.
(Spannend auch die Kommentarspalten: Darin Aufgreifen der psychoanalytischen Lesart und Feststellen eines pathologischen Identitätskonflikts - mit der überraschenden Folge, sich plötzlich fremd im eigenen Land zu fühlen):
"Ob der Schreihals wohl Scham empfindet wenn er sich eingestehen muss, dass er die 30 Fragen wegen Unvermögen nicht beantworten wird? Empfinden solche Leute überhaupt Scham? Ist vielleicht nicht wichtig, eine gewisse Schwachsinnigkeit ist auch so erkennbar, aber mich interessiert es doch brennend. Wie lebt so eine Person mit sich? [...] Ich will nicht in einem Land leben, in dem so ein Pöbel alimentiert wird. Verdammt, wo bin ich hier nur reingeraten?"
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4.
Aus der Flut hetzerisch-blökender bis geifend-bellender Zuschriften sticht diese überraschend raunend formulierte E-Mail heraus; ihr Ziel dürfte es sein, durch
gezieltes Verschweigen eigener Bewertungen ein besonders eindrückliches Signal von Überlegenheit zu senden und zugleich sowohl die intellektuelle Armseligkeit als auch generelle Wertlosigkeit des
Adressaten zu unterstreichen:
"Sehr geehrter Herr Hornuff,
ich bin ein balsierter Schreihals und mache mir nicht die Mühe, den Versuch - wie 'sciencefiles' - zu unternehmen, Ihnen die Augen zu öffnen: wenige sind es wert, daß man Ihnen widerspricht. Sie haben es nicht in diese Auswahl geschafft. Wie man Ihren Verstand angemessen mit einem Adjektiv beschreibt, teile ich Ihnen nicht mit.
Mit mitleidigen Grüßen
[...]"
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5.
Die anatomische Methode: Feingliedriges Sezieren des Beitrags zur Steigerung der eigenen Empörung, garniert durch zunächst abwechslungsreiche, im Fortlauf der Präparation allerdings sich wiederholender Invektive; hierbei unübersehbar das unbedingte Festklammern am Beitrag durch Hinzufügen immer weiterer Nachträge.
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6.
Die Kürze eines Facebook-Kommentars nutzen, um unter Vermeidung eigener Recherchen die Wissenschaftsferne des Autors zu betonen und ihn gerade deswegen zur wissenschaftlichen Nachweisführung einzuladen, entsprungen dem nachvollziehbaren Wunsch, ein komplettes Versagen einmal live miterleben zu dürfen:
"Leider hat der Autor überhaupt keine Ahnung von den Grundzügen wissenschaftlicher
Forschung. Außerdem hätte ich gerne von dem Autor hierfür eine belastbare Quelle: 'Zu diesen vermeintlichen Gewissheiten gehört wesentlich die Annahme, das Geschlecht einer Person
sei ausschließlich biologisch bedingt'."
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7.
Begrüßenswert: Der längst ritualisierte Vorwurf der Unwissenschaftlichkeit gegenüber der Geschlechterforschung durchzieht die komplette Facebook-Kommentierung des Beitrags mit der nicht unerheblichen Pointe, dass sich eine phasenweise abwägend geführte Social-Media-Debatte über Charakter und Aufgabe von Wissenschaft entspinnt.
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8.
Offenbar unter Zeitdruck stehend, wird über Twitter die Versicherung eingeholt, guten Gewissens auf das Anhören bzw. Lesen des Beitrags verzichten zu können. (- wobei ein Ähnlich- oder gar Gleichgesinnter wertvolle Vorarbeit geleistet haben muss, erscheint dessen Urteilsfähigkeit doch als differenziert genug, um an ihr das eigene Rezeptionsverhalten orientieren zu können):
"@Schwulemiker Das gesamte 4 Min Kunstwerk des Unwissenden muss man sich nicht antun, oder?"